Julius Plenz – Blog

Bookdump

Dobelli: Die Kunst des klaren Denkens – Ganz nett für zwischendurch in der Bahn zum Lesen. Aber die referenzierten Werke (Kahnemann, Cialdini) sind natürlich wesentlich aufschlussreicher. – Melville: Moby Dick – Ein Klassiker, auch heute noch ist die Figur Ahabs Prototyp der Idee des verrückten und unnachgiebigen Anführers. Ich habe als Kind vermutlich eine vereinfachte Version gelesen, denn die Geschichte zieht sich ewig lang hin und ist in absolut ermüdendem, slang-durchsetzten Englisch geschrieben. Erstaunt hat mich, wie wissenschaftlich der Roman anmutet, und über Seiten die Genealogien gewisser Wahlgattungen ausgebreitet wird. (Das Buch erschien, als Darwin seine Evolutionstheorie noch nicht veröffentlicht hatte.)

William Gibson: Pattern Recognition – Mein zweiter Versuch Gibson zu lesen. Ganz interessant, aber für mich zu konfus. – Hunter S. Thompson: The Rum Diary – Das erste Mal, dass ich Thompson gelesen habe. Ganz lustiges Buch, und die Verzweiflung des Protagonisten kommt viel besser rüber als im gleichnamigen, kürzlich erschienen Film. – Charles Bukowskis erster und letzter Roman: Post Office und Pulp sind wie immer bei Bukowski, gute Unterhaltung. – Richard Price: Clockers ist irgendwie ziemlich länglich, aber ich habe es doch zu Ende gelesen. Gefühlt hat das Englisch in dem Buch auch ein bisschen auf meine Sprache abgefärbt. Der Film zum Buch ist nicht zu empfehlen.

Nachdem ich Aldous Huxleys Klassiker Brave New World wieder gelesen hatte und beeindruckt war, habe ich anschließend seine Utopie Island gelesen, und dann auch seine Abhandlung über die Ursprünge und Ausprägungen von Ewigkeitsphilosophie, The Perennial Philosophy, gelesen. Die Utopie hat mir ganz gut gefallen (ist nur etwas kitschig), aber mit seiner Faszination mit fernöstlicher Einheits- und Ewigkeits-Philosophie konnte ich überhaupt nichts anfangen.

Seit ich das kleine Büchlein Poststructuralism: A very short introduction gelesen habe, habe ich etwas für Kunst übrig. Siehe zum Beispiel die Kontroverse um Fountain.

Zwei Bücher habe ich gelesen, die mir wirklich gut gefallen haben. Zunächst Roberto Bolaños früher Roman The Savage Detectives. Ein Paradebeispiel für die nichtlineare/zirkuläre Erzählstruktur spanischer Literatur, ist das Buch lustig, spannend und voller Charaktere, an die man sich noch lange erinnern wird. Allein der Name der avant-gardistischen jungen Dichtertruppe, um die sich die Geschichte dreht: Visceral Realists, also sich auf tiefe, inwärts gerichtete und nicht dem Intellekt zugängliche Gefühle beziehende Realisten – ist eine geniale Wortkonstruktion. – Auf Empfehlung eines Bekannten habe ich Theodore Rozsaks Roman Flicker gelesen. Wenn man Umberto Eco mag, dann liegt man hier sicher nicht falsch. Eine grandiose Geschichte zwischen Wahn und Realität, die ich sicherlich nicht komplett auskosten konnte, weil mir viele der historischen Filmreferenzen fehlten. Lediglich das Ende ist ein bisschen mau.

Zwei Sachbücher habe ich gelesen, die allerdings so voller Fakten waren, dass es irgendwann ermüdend wurde und ich mir jeweils die letzten 200 Seiten gespart habe. Anders als auf dem Buchrücken von Made in Americe kann man Bill Bryson auch nicht beschreiben: „witty, learned, compulsive.“ – Das Kompendium The German Genius von Peter Watson ist ziemlich beeindruckend. Der Brite wählt einen Ansatz, den ich sehr wichtig finde: Zu zeigen, dass Deutsche Geschichte viel mehr ist als die Zeit ab der Machtergreifung Hitlers; insofern kümmert er sich statt dessen um die Aspekte der Kunst, Philosophie, Forschung, Sprache, Militärtechnik und sozialer Organisation der letzten 250 Jahre, die deutschen Ursprungs sind und bis heute bleibende Spuren in Europa und der Welt hinterlassen haben.

Ein Büchlein voller interessanter Fragen ist Ludwig Wittgensteins Philosophische Untersuchungen. Zum Beispiel solche wie diese hier:

226 – Nimm an, Einer folt der Reihe 1, 3, 5, 7, … indem er die Reihe der 2x+1 hinschreibt. Und er fragt sich: »aber tue ich auch immer das Gleiche, oder jedesmal etwas anderes?« Wer von einem Tag auf den andern verspricht »Morgen will ich dich besuchen« – sagt der jeden Tag das Gleiche; oder jeden Tag etwas anderes?

Das Buch durchzieht eine ständige Dialektik zwischen innerer Wahrnehmung und äußeren Umständen: Befolgt man eine Regel (zum Beispiel die der Arithmetik), wenn man glaubt, man befolge sie? Ist dies von außen überprüfbar? Ist überhaupt über den Begriff des Verstehens verhandelbar, d.h. kann man jemandem zugestehen, etwas verstanden zu haben, nur anhand stichprobenartiger Äußerungen, die konform mit der zu überprüfenden Regel gehen? – Es sind unter anderem solche Fragen, mit denen Wittgenstein sich auf beeindruckend spielerische Weise und mit vielen prägnanten Beispielen nähert. Und doch bleibt bei mir der Eindruck, nicht wirklich etwas „mitgenommen“ zu haben aus diesem Buch. Ist es, weil ich seit nunmehr vier Jahren in einer Welt der Mathematik lebe, in der es fast nur um Systeme ziemlich abstrakter Art geht, von der man notwendigerweise immer nur ein fragmentarisches Verständnis hat? In jedem Falle erscheinen mir viele dieser Fragen nicht wirklich in die Tiefe zu gehen. –

Und dann habe ich Auf der Suche nach der verlorenen Zeit von Marcel Proust gelesen. Dem widme ich aber einen eigenen Post.

posted 2013-08-27 tagged bookdump