Ich habe den besseren Teil des heutigen Abends damit verbracht, die „Reflexivity Lectures“ von George Soros aus dem Jahre 2009 zu lesen, und bin tief beeindruckt. Soros legt in den fünf sehr zugänglichen Vorlesungen seine Theorie der Reflexivität dar, und wendet sie auf Marktwirtschaft und Politik an.
Ich habe mich im vergangenen Jahr relativ viel mit behavioral economics („Verhaltensökonomik“, siehe z.B. Kahnemann) und Poststrukturalismus als Philosophie beschäftigt. Beide Theorien spielen eine Rolle in der Argumentation Soros’, insgesamt geht es sehr viel darum, wie wir mit fallacies, also Fehlschlüssen, umgehen können und sollen.
Aus dem Schluss des ersten Teils:
But by far the most impressive attempt [to eliminate the difficulties connected with the human uncertainty principle] has been mounted by economic theory. It started out by assuming perfect knowledge and when that assumption turned out to be untenable it went through ever increasing contortions to maintain the fiction of rational behavior. Economics ended up with the theory of rational expectations which maintains that there is a single optimum view of the future, that which corresponds to it, and eventually all the market participants will converge around that view. This postulate is absurd but it is needed in order to allow economic theory to model itself on Newtonian physics.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Implikationen der Reflexivität auf Marktsysteme; besonders interessant ist dabei die Feststellung, dass die Erkenntnisse der Verhaltensökonomik nur die eine Seite der Medallie darstellen. Teil drei re-interpretiert den Popper’schen Begriff der Open Society, und Soros führt in Teil vier die Inkompatibilitäten eines Kapitalismus’ Chicagoer Schule zu einer Offenen Gesellschaft auf.
Der fünfte Teil bietet eine Zusammenfassung sowie einen Ausblick. Aus heutiger Sicht sind einige der Hoffnungen leider etwas utopisch. Die erwähnten Gefahren sind aber sehr wohl noch prävalent.
Unbedingte Leseempfehlung.