Ich war die zweite Septemberhälfte über in Bishkek, der Hauptstadt von Kirgistan. Dort habe ich Gerrit dabei unterstützt, einen achttägigen Scrum-Workshop zu veranstalten, der an der KSUCTA stattfand. Die dortige Informatik-Fakultät hat eine Partnerschaft mit der FH Zwickau (siehe hier für Details).
Bishkek ist so eine Stadt, die man am besten so beschreibt: Einer der nahen Vertrauten Lenins kam aus Bishkek, und deshalb wurde die Stadt aufgebaut zu einem Zentrum der Region mit viel Soviet-Pomp, breiten Straßen, und guter Infrastruktur – aber dann wurde Kirgistan Anfang der ’90er Jahre unabhängig, und seit dem geht alles langsam kaputt.
Man hat hier also auf der einen Seite diese gewaltigen Plätze mit heroischen Denkmälern:
– und auf der anderen Seite zumindest äußerlich komplett verfallene Soviet-Infrastruktur:
Diese Kontraste sind beeindruckend. Insgesamt ist die Stadt aber sehr entspannt. Klar, der Verkehr ist ziemlich abenteuerlich (und es kommt der Unfallrate auch nicht zu Gute, dass Kirgistan vor einigen Jahren erlaubt hat, auch japanische Autos – das heißt Rechtslenker – zu importieren, obwohl man im Land auf der rechten Seite der Straße fährt) – aber dank der schachbrettmusterartig angelegten Nord-Süd- und Ost-West-Straßen gibt es fast keine Staus und der Verkehr fließt ziemlich gut. Nur ist an einigen Tagen die Luft wirklich schwer zu atmen und voller unverbranntem Benzin. (Es gibt an den Tankstellen durchaus noch 80-Oktan-Benzin zu kaufen.)
Sobald man aus der Stadt heraus kommt, ist die Luft aber so frisch, und man ist, wo man auch hingeht, umgeben von Wasser und Bergen. Ich hatte das Glück, zwei Tage lang wandern gehen zu können.
Überall durch die Berge fließt Wasser: Manchmal kleine Rinnsale, manchmal ausgewachsene Flüsse mit mehr oder weniger abenteuerlichen Brückenkonstruktionen:
Teilweise läuft man Statuen oder anderen Steinmetzarbeiten über den Weg; meist aber nur Schaf-, Ziegen-, Kuh- und Pferdeherden (das ist besonders abends eher unentspannt, wenn die Herden über die Autobahnen getrieben werden).
Hauptsächlich ist es aber eins: idyllisch!
Ein Denkmal im Zentrum Bishkeks hat mich tief beeindruckt. Es erinnert an die Toten der Revolutionen von 2002 und 2010. Das Motiv ist klar: Abspaltung des Schlechten (schwarz) vom wesentlich größeren Guten (weiß) durch Revolution.
Was genau mich daran so fasziniert, ist etwas schwer auszudrücken: Auf gewisse Weise kristallisiert sich in dieser so plakativ simplen Darstellung des Gegensatzes von Gut und Böse einer der Grundirrtümer des sovietischen Sozialismus heraus: Dass Dinge auf zentralistisch–kollektivistische Weise ultimativ benennbar und zweifelsfrei entscheidbar sind, und dass das Schlechte einer Gesellschaft sich sozusagen aseptisch vom Guten abtrennen lassen kann; dass die Dinge nicht untereinander verflochten, vieldeutig und voller Widersprüche sind, die der Mensch nicht in der Lage ist, in aller Gänze zu erfassen.